nach einem Kirchenlied kommt Xaver an die Reihe. Er erhebt sich und geht die wenigen Treppen hinauf auf die Kanzel, von wo er einen mehr als guten Blick auf die Gottesdienstgemeinde hat.
Liebe Scgwestern und Brüder,
eines der vielen schönen Dinge bei der Weihe zum Bischof ist, dass man sich das Predigttheme frei wählen kann und so wird es meine Studenten bestimmt nicht überraschen, wenn ich mir das Thema Petrus für den heutigen Tag aussuchte. Im übrigen muss ich noch erwähnen, dass natürlich die Seminararbeiten nach wie vor am kommenden Freitag abgegeben sein müssen, da verändert auch eine Bischofsweihe rein gar nichts. Also ich freu mich darauf, euch Freitag alle wiederzusehen
Liebe Gemeinde,
Petrus! Ich hoffe, er ist
uns allen im Moment gut vor Augen. Wir haben ein Bild von ihm, von
seinem Leben, von seinem Weg, den er mit Jesus gegangen ist.
Von all den Leuten, die damals mit Jesus gegangen sind, erscheint mir
Petrus, der Fischer, am nächsten. Er darf versagen! Mit ihm kann ich mich am
ehesten identifizieren. In ihn kann ich mich am ehesten hineinversetzen. Und in
ihn versetze ich mich auch am liebsten hinein. Er darf scheitern! Durch die
Augen des Petrus kann ich die Geschichte Jesu am besten miterleben. Er ist uns
als Lesern besonders nah. Er erscheint uns besonders menschlich und wir können
ihn besonders gut verstehen. Er darf kleingläubig sein!
Petrus wird in der Bibel nicht als große, leuchtende Vorbildgestalt
dargestellt. Er ist nicht der Übermensch, der immer alles richtig macht und vor
Gott aus eigener Kraft besteht. Im Gegenteil: Er versucht dies zuweilen zwar,
scheitert aber gerade daran. Er meint zuweilen, er könne
dasselbe Joch
auf sich nehmen,
dieselben Prüfungen bestehen und
denselben
Leidenskelch trinken, wie sein Herr, Jesus Christus. „Ich bin bereit, mit dir
ins Gefängnis und in den Tod zu gehen,“ sagt Petrus zu Jesus. Doch stattdessen
passiert das, was Jesus vorausgesagt hat: Petrus verleugnet ihn dreimal in nur
einer Nacht. Selbst am Höhepunkt des Weges Christi, den Petrus begleitet, steht
er als der Versager da. Aus Angst, selbst mitverurteilt zu werden, bestreitet
er wider besseres Wissen, Jesus zu kennen. Diese Angst, die Petrus da gehabt
hat, kann man sich gut vorstellen. Deshalb erscheint uns Petrus hier auch so
menschlich und so nah.
Ebenfalls nah und gut verständlich erscheint er uns, als er kurz darauf
seinen Fehler erkennt und verzweifelt zu weinen beginnt. Er spürt seine
Hilflosigkeit. Er weiß, was er falsch gemacht hat, aber er kann nichts mehr
dagegen tun. Wahrscheinlich weiß er auch, dass er denselben Fehler in derselben
Situation wieder machen würde. Das macht ihn hilflos - so hilflos, wie wir uns
auch oft fühlen, wenn wir wider unser besseres Wissen falsch handeln, es aber
nicht wiedergutmachen können. Wie will man wiedergutmachen, was man in seinem
Leben schon alles anderen an Schaden zugefügt hat? Kann man es denn ungeschehen
machen?
Auch Petrus muss diese Erfahrung machen, völlig hilflos zu sein. Allerdings
lernt er dabei etwas wichtiges: nämlich, nicht allein sich selbst und seinen
eigenen Fähigkeiten zu vertrauen, sondern auch dem, der es besser weiß: Gott.
Er lernt von Jesus, dass er sich selbst nicht überschätzen darf. Er kann eben
nicht dasselbe Joch tragen und denselben Leidensweg gehen wie sein Meister.
Teilweise ist er sich dessen auch von Anfang an bewusst. Als Jesus ihn
nämlich überhaupt erst zum Apostel berufen will, weigert er sich zunächst, weil
er glaubt, unwürdig zu sein. Er spürt, dass da jemand vor ihm steht, der größer
ist als er, und der größere Aufgaben bewältigen kann als er. Er spürt, dass er
eben nicht überall hin folgen kann, wo
der hingeht. Deshalb kommt er
anfangs nur sehr widerwillig mit. Lieber wäre er Fischer geblieben als Apostel
zu werden.
Aber dann zeigt sich eben, dass er sich letztlich trotzdem noch selbst
überschätzt. Und er
muss erst von Jesus lernen, nicht nur sich selbst zu vertrauen, sondern vor
allem Gott. Als Jesus gefangen genommen wird, versucht Petrus, dies mit Gewalt
zu verhindern. Er vertraut darauf, mit
seinen Waffen und
seiner
Stärke die Lage in den Griff bekommen und Jesus retten zu können. Aber Jesus
verweist ihn darauf, dass Gott selbst verhindern würde, was hier geschieht,
wenn er es denn wollte. Doch was hier geschieht, ist Gottes Wille. Und auch
wenn der schwer zu akzeptieren ist, muss Petrus lernen, Gott nicht nur genauso,
sondern sogar mehr zu vertrauen als sich selbst. Er würde am liebsten mit dem
Schwert drein schlagen, aber er muss sich zurückhalten und unter den Willen
Gottes beugen.
Petrus widersetzt sich dem Willen Gottes aber nicht in böser Absicht. Sonst
wäre er wohl kaum die Gestalt im Umfeld Jesu, in die wir uns besonders gut
hinein versetzen können. Was Petrus gerade zu dem macht, in den wir uns
besonders gut hinein versetzen können, ist, dass er all diese Fehler stets mit
den besten Absichten begeht. Als er Jesus mit dem Schwert verteidigen will, tut
er dass ja nur, um seinen Meister zu retten. Er möchte so gerne alles für Jesus
tun, was in seiner Macht steht. Aus demselben Grunde sagt er auch, er würde mit
ihm bis in den Tod gehen, wenn es sein muss. Doch all dies gelingt ihm nicht.
Er handelt nur mit den besten Absichten und scheitert doch immer wieder – eine
Erfahrung, die nicht nur er gemacht hat, sondern die uns immer wieder und
überall begegnet.
Und genau wie auch jeder von uns, muss Petrus immer wieder neu lernen, Gott
mehr zu vertrauen als sich selbst. Durch das ganze Evangelium hindurch tritt er
immer wieder als die Gestalt auf, die an ihrem Gottvertrauen scheitert. Am
deutlichsten wird dies in der Geschichte gesagt, in der er versucht, wie Jesus,
über´s Wasser zu gehen. Aber er versinkt und muss von Jesus aus dem Wasser
gezogen werden, um nicht zu ertrinken. Und Jesus sagt ihm ganz deutlich, warum
er gescheitert ist: „Dein Glaube ist zu schwach.“
Er geht nicht aus irgendwelchen bösen Antrieben heraus auf das Wasser. Weder
will er sich selbst in den Vordergrund spielen und Jesus die Show stehlen, noch
geht er ihm mit irgendwelchen feindseligen Absichten entgegen. Er will einfach
nur tun, was Jesus tut und sein wo Jesus ist. Er nimmt ihn sich zum Vorbild.
Eine gute Absicht, aber er scheitert daran, weil sein Glaube zu schwach ist,
weil er mehr auf sich selbst vertraut als auf Gott, weil er denkt: „Ich schaffe
das schon, auch so zu sein, wie Jesus.“ Aber Jesus sagt ihm, sein Glaube sei zu
schwach. Er müsse erst lernen, Gott mehr zu vertrauen, als sich selbst.
So scheitert Petrus immer wieder. Er begegnet uns als der, der Jesus
nachfolgen möchte bis in den Tod, dies aber doch nicht kann. Er begegnet uns
als der, der sich Jesus zum Vorbild nimmt und werden möchte wie er, dem dies
aber nicht gelingt. Er begegnet uns als der, der bereit ist, alles für Jesus zu
tun, was in seiner
Macht steht, dabei aber übersieht, dass der
Allmächtige
etwas ganz anderes geplant hat. In alledem kann ich das Tun und Denken des
Petrus gut nachvollziehen. Er handelt nur in bester Absicht. Wie kann man es
ihm verübeln, dass er sich Jesus zum Vorbild nimmt, ihm nachfolgen und alles
für ihn tun möchte? Wollen wir das nicht zuweilen auch? Ist das nicht
christlich? Aber genau wie Petrus müssen wir dann erkennen, dass wir daran
scheitern. Das macht ihn uns so nahe, so menschlich, so gut zu verstehen.
Aber das schönste und wichtigste an der Figur des Petrus in der Bibel ist:
Er
darf scheitern und versagen. Gott nimmt ihn
trotzdem an.
Petrus ist nicht
nur der, der immer wieder Fehler macht und dann als
der Dumme dasteht, sondern er ist zugleich auch der, zu dem Jesus sagt: „Du
bist der Felsen, auf den ich meine Kirche bauen will.“ Der Name „Petrus“ heißt
übersetzt „Felsen“. Und in der Tat wird Petrus nachher, nach Jesu Himmelfahrt,
das Oberhaupt der ersten christlichen Gemeinde – der Felsen, auf dem die
Gemeinde Jesu Christi steht.
Es ist fast absurd: Petrus muss erkennen, dass er selbst überhaupt nichts
für Gott und für Jesus tun kann – jedenfalls nicht von sich aus. Und gerade
dann und darum wird er zum Werkzeug Gottes. Er wird vom einfachen Fischer zum
„Menschenfischer“, wie Jesus sagt. Er fängt nun Menschen für Jesus und seine
Gemeinde und dient ihr damit. D.h.: Er kann letztlich doch etwas für Jesus tun,
aber nicht aus eigener Kraft, sondern indem Gott ihn zum Menschenfischer macht.
Erst als Petrus sich ganz klein macht und sich selbst ganz zurück nimmt, macht
Gott etwas ganz großes aus ihm: den Felsen, auf dem die Kirche gebaut ist. Als
Petrus selbst aufgibt, aus eigener Kraft etwas für seinen Herrn tun zu wollen,
kann dieser ihn zu einem wirksamen Werkzeug machen.
Ich versuche oft, das Evangelium aus der Sicht des Petrus zu lesen. In ihn
kann ich mich am besten hinein versetzen. Ich freue mich, vor Gott zu meiner
ganzen Schwachheit stehen zu dürfen. Genau wie Petrus muss ich mich immer
wieder daran erinnern lassen, dass ich von mir aus nichts wirklich wirksames
tun kann. Meine Fähigkeiten sind zu gering.
Aber die Geschichte des Petrus sagt uns allen: Wenn ihr lernt, Gott mehr zu
vertrauen als euch selbst, könnt ihr zu seinen Werkzeugen werden. Werdet von
einfachen Fischern zu Menschenfischern, indem ihr euch Gott anvertraut und ihn
durch euch handeln lasst! Ihr könnt aus eigener Kraft nichts erreichen und
müsst es auch nicht, aber wenn ihr Gott machen lasst, wird er durch euch großes
vollbringen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere menschliche Vernunft,
stärke und bewahre uns im Glauben an Jesus Christus, unsern Herrn. Amen.