Sehr geehrte Frau Vorsitzende,
sehr geehrte Damen und Herren,
das Leben eines jeden ist viel Wert. Doch ist es jeglichen Lebens wert, für ein Konstrukt wie "das Land" sein Leben zu lassen.
wartet kurz.
Ich war nicht verwundert, als die Südbergische Zeitung nur einen kleinen Teil meiner Anordnung veröffentlicht hat. Es klingt doch viel besser, wenn es nach einer Anordnung zum Mord klingt. Doch jeder, der den nötigen Verstand hat und den kompletten Text vor Augen hat, sieht das ganze Bild, und das ist wahrhaft ein anderes als das in den Medien widergespiegelte.
Nun könnte gesagt werden, ich hätte den Vorwurf der Staatsanwaltschaft, wegen dem ich hier vor Ihnen stehe, vor dem Senat bestätigt. Diese Behauptung ignoriert aber die Regeln der Politik. In der Politik muss man, wenn man Unterstützung haben will, alles versuchen, ins Positive zu wenden und es im besten Licht darzustellen. Deswegen habe ich, um den SIS vor Vorwürfen zu schützen, ausgesagt, dass diese Tötung notwendig war und dass ich sie befürworte. Doch ich und auch gar kein Gericht unseres Landes weiß, was der Staatsdienst für Innere Sicherheit an dem erwähnten Tag getan hat. Ich hätte sagen können, der SIS hat da vielleicht etwas missverstanden, doch es wäre nicht meinem Amt entsprechend, wenn ich so schlecht über einen mir damals unterstehenden Dienst zu reden. Ist das Leben ein Mal weg, kann man es nicht wieder zurückholen.
Nun zurück zur Grundlage der Anklage: Die Anordnung klingt an der viel zitierten Stelle nach Mord, ist aber im ganzer Länge komplett anders. Ich war erfreut, dass der derzeitige Staatskanzler Königskamp auf meine Bitte die Anordnung Ihnen zur Verfügung gestellt hat und somit ermöglicht hat, dass der komplette Text bekannt wird. Denn die gesamte Anordnung verfolgt ein Ziel: Ich wollte nicht, dass die Mitarbeiter des SIS einen ganz bestimmten Fehler machen. Um auf den Anfang dieser Rede zurück zu kommen: Niemand soll für sein Land sterben. In bestimmten Teilen der Sicherung des Staates sind die Menschen so loyal gegenüber dem Land, dass sie sich für ihr Land töten lassen würden. Bei meinem Besuch im SIS Mitte März habe ich es selbst erlebt, als mir ein Mann, ca. 30, mir gesagt hat: "Herr Staatskanzler, ich habe schon viele Kugeln abgefangen, um Ihre Vorgänger zu schützen. Ich bin stolz darauf, Sie geschützt zu haben und alle, auf die ich bisher aufpassen durfte, vor allerlei Gefahren gerettet zu haben." Diese Worte habe ich nie vergessen. Und als dann der 02.04.2013 dann war, dann erinnerte ich mich an die Worte und schrieb die Anordnung in den Gedanken daran, dass diese Männer und Frauen nicht nur an das Land und an deren Job, sondern auch an ihr eigenes Leben und ihre Familie denken sollen und sich nicht opfern sollen, sondern konzentriert und gut arbeiten sollen. Ich war mir zu dem Zeitpunkt nicht bewusst, dass das derart fehlinterpretiert werden könnte. Folgende Textstelle ist so zu verstehen, dass "wenn die Terroristen mit Mord drohen" - was keineswegs, wie es die Staatsanwaltschaft präsentieren will oder wollte, ein Persilschein für Mord ist - "die Tötung" - also nicht der Mord, sondern in dem Fall die Notwehr - erfolgen darf. Dass das kein Persilschein ist, wird im folgenden Satz mit der Formulierung "vor allem, wenn die Gefahren sehr schnell zur Realität werden können" deutlich. Und ich habe die Verfassung als das zu sichernde Objekt genannt, was auch bedeutet, dass den Einsatzleuten folgender Text bewusst sein muss: "Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist unumstößliche Verpflichtung aller staatlichen Gewalt." Diese Textstelle ist Artikel 1 Abs. 1, der Anfang unserer Verfassung. Sie ist das Herz unseres Landes, und die Basis von allem, was in unserem Staat existiert. Sie ist die Garantie für das Leben - und wer sie wahrt, muss sich auch an sie halten - das ist impliziert.
Und was ich ganz klar sagen muss, ist, dass wenn man weiß, da sind Menschen, die bereit sind, sich zu opfern, und man wegen der Notfallsituation überhaupt erst in die Sache einbezogen wird, obwohl das SIS dem Innenministerium untersteht, die Ministerin aber an dem Tag auf Grund eines Trauerfalls nicht arbeiten konnte, dann schreibt man verzweifelt, in der Hoffnung, dass diese gefährliche Situation gut ausgeht, eine Anordnung, die vielleicht bei einigen Missverständnisse verursachen, die aber eigentlich deutlich sagt: "Passt auf, dass ihr eure Köpfe heil da raus bekommt!", denn lieber schreibe ich vorsichtig diese Anordnung, als dass ich in Nachsicht dann zerrissen werde, weil wegen meiner passiven Handlung eine trauernde Familie da steht. Ich habe nicht erwartet, dass Blut fließen wird. Ich hätte mich heute nach all der Erfahrung
etwas klarer ausgedrückt, aber ich würde, wenn ich heute so etwas erlebe, wieder alles tun, um Blutvergießen und Opfer zu verhindern.
Um zum Schluss zu kommen: Ich habe vielleicht zu viel Interpretationsspielraum gelassen, aber ich habe
weder den Mord noch die vorsätzliche Tötung in irgendeiner Art und Weise unterstützt, sondern habe nur auf
das gute Recht der Notwehr zum Schutz der Einsatzkräfte,
um alles zum Guten zu wenden, hingewiesen. Und als letztes möchte ich an die Staatsanwaltschaft die Frage stellen:
Hätten Sie nicht auf die Möglichkeit der Notwehr in dieser gefährlichen Situation hingewiesen und diese Menschen, Mütter und Väter, Söhne und Töchter, einfach so sterben lassen?