Vielen Dank, Frau Präsidentin.
Hohes Gericht,
allein der Eingangssatz des Angeklagten mag vielleicht persönliche Meinung des Andries Bloembeek sein, ist aber nicht zutreffend. Unsere Verfassung garantiert die Unantastbarkeit der Menschenwürde und das Recht auf Leben. Diese Rechte können nicht verwirkt werden, sie sind absolut – und deswegen lässt das Gesetz nur sehr begrenzt zu, dass Menschen getötet werden, nämlich in Notwehr, also zur Abwehr einer gegenwärtigen rechtswidrigen Gefahr von sich selbst oder einem dritten. Ein automatisches „Abschussrecht“ lediglich zum Wohle des „Konstrukts“ Staat folgt daraus nicht. Die Sicherung der öffentlichen Ordnung ist eine verantwortungsvolle, eine wichtige Aufgabe, aber sie ist nicht derartig dehnbar, dass ohne weiteres die Tötung eines Menschen erlaubt sein kann. Da reicht eine bloße Drohung nicht aus, zumal ja die Beamten vor Ort, wie im Befragungsprotokoll nachzulesen ist, aller Wahrscheinlichkeit nach ein anderes Vorgehen durchgeführt hätten - wäre da nicht diese Anordnung gewesen.
Tatsache ist, dass der Angeklagte eine Anordnung herausgegeben hat an den SIS. Das hat nichts mit den Gesetzen der Politik zu tun und ist auch durch ihn nicht abgestritten worden.
„Wenn die Terroristen mit dem Mord drohen, so sollte das Problem auf schnellstmögliche Weise gelöst werden. Die Tötung der Terroristen ist dabei, mit meiner Unterstützung, zu billigen. Gefahren, die das Leben der Einsatzkräfte und/oder der Ziele bedrohen, erfordern Reaktionen, vor allem, wenn die Gefahren sehr schnell zur Realität werden können.
Ich weise Sie an, das Land zu verteidigen und im Namen und für die Verfassung unseres Landes zu kämpfen und diese Gefahr mindestens mit Inhaftierungen zu beseitigen.“
Das ist der entscheidende Teil der Anordnung des damaligen Staatskanzlers, des Angeklagten in diesem Prozess, gewesen, um das noch einmal in Erinnerung zu rufen.
Er selbst hat also eine derartige Einsatztaktik befürwortet, wie er sagt, angeordnet, wie ich sage. Seine Äußerungen vor dem Senat jetzt als bloße Schutzhandlung für die Beamten oder die Behörde darzustellen, die nicht die persönliche Einstellung widerspiegelt, halte ich nicht für glaubwürdig. Es gibt Zeiten, da wünscht man sich, etwas nicht oder nicht so gesagt zu haben, wie man es getan hat, insbesondere, wenn man dadurch die Konsequenzen für sich selbst, besonders die, die aus einer rechtswidrigen Handlung resultieren, minimieren kann. Dieser Wunsch ist aber ein Wunsch, denn gesagt ist gesagt und die Äußerungen sind nicht nur im Senat auf heftige Kritik gestoßen. Wenn der Angeklagte jetzt behauptet, das alles sei nur politisches Kalkül gewesen, glaube ich ihm nicht, denn als promovierter Jurist wusste er, dass der Schutz von Behörden bald sein geringstes Problem sein würde. Was wir dem Plenarprotokoll entnehmen war eine möglicherweise recht unüberlegte Äußerung, wie sie im Justizalltag häufig vorkommt und dann den Schuldigen entlarvt. Sie war gedacht, sich mittels eines Appells an den Patriotismus zu rechtfertigen, ist aber auch gleichzeitig ein Eingeständnis.
Die Generalstaatsanwaltschaft ist weder der Meinung, dass der damalige Staatskanzler nicht weiß, was der Staatsdienst für Innere Sicherheit an dem Tag getan hat, der sieben mutmaßlichen – und das ist hier zu betonen – mutmaßlichen Terroristen das Leben kostete, hatte er doch selbst einen Einsatz angeordnet und war er doch selbst Mitglied des Aufsichtsorgans, noch steht für uns in Frage, dass die Beamten etwas missverstanden haben, denn die Anordnung wurde auf Rückfrage – so die glaubwürdige Aussage der Beteiligten – wiederholt und bestätigt.
Der Angeklagte erteilte einen Befehl, er musste davon ausgehen, dass der auch so ausgeführt würde, wie er ihn niederschrieb – ohne weitere Interpretation, die niemand anderes leisten konnte. Jetzt zu behaupten, lediglich Notwehr unterstützt zu haben, ist scheinheilig, denn Notwehr ist nicht durch eine bloße Drohung gerechtfertigt und geplante Notwehr gibt es nicht – Notwehr – insbesondere von staatlicher Seite und als sogenannter finaler Rettungsschuss – muss die ultima ratio auf eine GEGENWÄRTIGE Bedrohung sein.
Die Anordnung zu reduzieren auf "Passt auf, dass ihr eure Köpfe heil da raus bekommt!", entstellt ihren Sinn.
Sie, Herr Bloembeek, müssen sich der Verantwortung stellen, für das, was sie angeordnet haben. Sie sind nicht der Held, der das Leben von Einsatzkräften und mutmaßlichen Opfern gerettet hat – dafür sind diese Menschen ausgebildet, sich selbst zu schützen und sind sich des Risikos bewusst, dass sie eingehen – Sie haben zusätzlichen Druck aufgebaut auf Einsatzkräfte in einer Stresssituation. Das war kein bloßer Hinweis, das war mehr und sogar Sie selbst gestehen ein, mindestens eine grob missverständliche Anordnung getroffen zu haben, also fahrlässig gehandelt zu haben. Die Generalstaatsanwaltschaft hat sich aber aus gutem Grund dazu entschieden, Vorsatz anzuklagen, denn Sie sind juristisch vorgebildet und haben sich mehrfach darauf berufen, zum Schutz unseres Staates gehandelt zu haben, anders gesagt: Sie waren sich der Konsequenzen bewusst, haben sie in Kauf genommen. Nun behaupten Sie, das sei zum Schutz der Beamten, der Behörde und des Staates geschehen – egal warum Sie gehandelt haben, das Ergebnis bleibt gleich: Gleich kriminell.
Sie fragten, was ich getan hätte und diese Frage möchte ich Ihnen beantworten: Ich hätte, wenn ich lediglich auf das Notwehrrecht hätte hinweisen wollen, den Begriff der Notwehr wenigstens gebraucht, wahrscheinlich aber darauf vertraut, dass Einsatzkräfte, die jahrelang ausgebildet werden und zu den besten unseres Landes gehören, besser als ich gewusst hätten, welche Maßnahmen erforderlich sind, um eine Gefahr abzuwenden. Schon gar nicht hätte ich formuliert: „Ich weise Sie an, das Land zu verteidigen und im Namen und für die Verfassung unseres Landes zu kämpfen und diese Gefahr mindestens mit Inhaftierungen zu beseitigen.“, denn etwas „mindestens“ auf eine bestimmte Art zu beseitigen, heißt doch, dass jede andere, härtere Vorgehensweise in Ihren Augen besser gewesen wäre – die Festnahme ist allerdings das, was unser Rechtsstaat im Regelfall als schärfsten Eingriff in die Grundrechte vorsieht.
Noch stärker deutlich wird diese Textstelle, wenn man beachtet, was sie alles unter der „Verteidigung unseres Landes“ verstehen und dafür in Kauf nehmen würden: „Doch ist es jegliche(s) Lebens wert, für ein Konstrukt wie "das Land" sein Leben zu lassen.“
Jeder Tod ist tragisch, jeder gewaltsame Tod hätte verhindert werden müssen, egal ob nun von Beamten oder von mutmaßlichen Terroristen, deren Schuld oder Unschuld niemals mehr rechtsstaatlich wird bewiesen werden können, deren verfassungsmäßigen Rechte niemals mehr werden geschützt werden können, denn sie sind tot.
Tot, hohes Gericht, weil der Angeklagte, nicht die dafür ausgebildeten Beamten, der Meinung war, nur so wäre etwas anderes zu schützen – er hat sie vorverurteilt und dann mit seiner Anordnung alle ihm wohl bekannten Grundsätze des Rechts verletzt.
Aufgrund dieser Sichtweise hat die Staatsanwaltschaft die Anklage in dieser Weise vorgebracht und wir sehen uns darin weiter bestärkt durch die nicht entlastenden Einlassungen des Angeklagten.
Hohes Gericht, die Verteidugung hatte angekündigt, sich zur Anklage der Staatsanwaltschaft im Hinblick auf "rechtliche Gesichtspunkte" zu äußern. Insoweit dies der Fall ist, bitte ich darum, dass der Staatsanwaltschaft die Möglichkeit der Erwiderung eingeräumt wird, der Verteidiger kann ja ebenso auf meine Außführungen erwidern, wenn er gleich seine Stellungnahme abgibt.
Vielen Dank.
Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von »Lukas Landerberg« (8. März 2014, 13:56)