Fast jeder, der in Bergen viel mit Schulen befasst war, kannte Clamency und jedem, der Clamency kannte, war der Name Bernd Estermayer ein Begriff. Einige schwärmten von seiner Leistung, das Internat als eines der angesehensten überhaupt erhalten zu haben in einer Zeit, in der der Trend immer mehr zur schnellen Bildung für alle ging, andere verfluchten ihn als Tyrannen seiner Schule. Die Wahrheit musste irgendwo in der Mitte liegen, denn rausgeschmissen worden war er nicht. Angeblich handelte es sich um "die Übernahme neuer Aufgaben mit der Möglichkeit der jederzeitigen Rückkehr". so gut, so merkwürdig.
Noch merkwürdiger allerdings war, dass ausgerechnet er diesen Job nun übernehmen sollte - seine erste Station als Schulleiter und dann gleich diese Schule. Er wurde den Verdacht nicht los, dass das etwas mit Julienne zu tun hatte. Julienne Mouet war Bildungsdezernentin bei der Regionalverwaltung Noranda und ein "friend with benefits", wie man so schön sagte. Klar, diese Variante war unwahrscheinlich, eher sogar unmöglich, aber Fakt war, dass er sich nicht beworben hatte.
Ablehnen konnte man so ein Angebot aber auch nicht. Also hatte er "Ja" gesagt, trotz seiner Bedenken und hier stand er nun, im Büro des Schulleiters. Es gefiel ihm überhaupt nicht, alles war steril, zu ordentlich und vor allem zu rustikal.
Stattdessen schloss er die Tür hinter sich und trat zurück ins Vorzimmer, wo noch ein freier Schreibtisch stand. Unter dem ungläubigen Blick der Sekretärin stellte er seine Aktentasche dort ab und die Kaffeemaschine an, dann nahm er Platz, womit er der armen Frau sicher den Schock ihres Lebens verpasste.